Januarnacht
Fast hatte ich sie vergessen,
diese Schwärze
mit frostgemeißelten Sternen
unter Brandenburgischen Himmeln,
dort, wohin kein Stadtlicht dringt.
Da stand ich,
gelehnt an die Dunkelheit,
starrte hinauf zu den Bildern
welche die Alten einst
mit Mythen bedachten,
in dieses Durcheinander
von Helden, Jungfrauen,
allerlei Getier und Gefährt.
Und mitten über dem Feld
öffnete der Orion seinen Gürtel,
unerreichbar und ungerührt
vom Kreuz oder Quer oder Frost
oder ob meiner Erinnerung.
© Elke Kaminsky
evelyne w. - 11. Jan, 00:10
noch trägt das jahr
und wieder trägt das jahr
ein weißes kleid
gewebt aus hoffnung
und in die säume
sind wünsche eingenäht
noch schwebt es unbeschmutzt
über verschlammte wege
tanzt ungebrandmarkt
auf den scheiterhaufen
lodernder kriege
noch trägt es einen blütenkranz
und in den lilienweißen fingern
einen becher freude
doch lauert schon der alltag
die füße werden schwer
im täglichen morast
und aus verschwielten händen
rinnt die angst
stahlhelme drücken
die gehirne dumpf
das kleid tarnt sich
oliv und braun
um in den gräben
zu beschützen
und nur die blume
mut zur liebe
reckt sich das ganze jahr
dem sonnenlicht entgegen
© evelyne w.
evelyne w. - 3. Jan, 18:01
weihnachtsspaziergang
frei ist mein blick
über der rebengärten kahle stille
in der des weines süße
in hartem boden schlummert
und kräfte sammelt
dem jungen frühling
knospend zu begegnen
des sommers üppigkeit
mit starken armen
zu empfangen
und satter reife
trunknem glanze
hinzuträumen
der himmel lächelt
zum lied des weines
unter meinem schritt
in meinem herzen
breitet sich
weihnacht aus
© evelyne w.
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liebe lyrikfreunde!
wir bedanken uns
für die begleitung durch das jahr
und wünschen euch allen
liebevolle weihnachten
ein gutes ankommen im neuen jahr!
evelyne w. - 20. Dez, 21:05

Wiegenlied
Hier unterm Turme
hier wehet kein Wind,
hier betet die Mutter
und wieget ihr Kind,
und hat von der Wiege
zur Krippe ein Band
von Glaube und Hoffnung
und Liebe gespannt.
Weit über die Meere
die Sehnsucht sie spinnt,
dort sitzet Maria
und wieget ihr Kind,
die Engel, die Hirten,
drei König und Stern
und Öchslein und Eslein
erkennen den Herrn.
Wohl über dem Monde
und Wolken und Wind
mit Zepter und Krone
steht Jungfrau und Kind.
Hier unten ward's Kindlein
am Kreuz ausgespannt,
dort oben wiegt's Himmel
und Erd auf der Hand.
Komm mit, lass uns fliegen
zu Maria geschwind,
kommt mit! und lern biegen
dein Knie vor dem Kind,
komm mit! schnür dein Bündlein,
schon führet die Hand
Maria dem Kindlein,
es segnet das Land.
© Clemens Brentano
1778 - 1842
evelyne w. - 8. Dez, 18:34

Erwartung
Aus den Blüten
eurer Eingebungen,
trübe Novembertage,
gut gewässert
durch perlenden Regen,
lasse ich Beeren reifen
in der Sonne
der Imagination,
der geheimnisvollen.
Will sie dann ernten,
wenn manche Tagstunden mehr
zur Nachtzeit geworden
und die Tatkraft
zu erlahmen droht.
Die Süße des Schwelgens
in Heimeligkeit
soll mich tragen
in neue Gefilde
des Seins.
© Helmut Maier
evelyne w. - 18. Nov, 22:24

immer wieder im Herbst
dein rauschendes Lied vom Sommer
ist leise geworden
ein Wispern von kommendem
Dunkel und Kälte
ermattet am Boden dein Kleid
die Farben verwaschen zu Braun
zerknittert durchnässt
ein erdiger Duft nach Vergehen
mein Blick streift behutsam
durch nacktes Geäst in die Weite
geöffnet für einige Zeit
in der Hoffnung auf Morgen
© Uta Lösken

der blick des herbstes
und auf den rieden
glüht der blick des herbstes
und auf den reben
wogt sein feuer
in den wein
der himmel breitet
seidenes gespinst
über die blätterpracht
die meine augen flutet
und meinen schritt
in ihren tanz im winde
zieht
© evelyne weissenbach

Gesang der Krähen über dem Feld
Wind, du,
wirf dich unter uns,
zerreiß uns
und trag
unsre Schreie davon.
Wolken sind wir,
wenn wir Schatten werfen.
Regen sind wir,
wenn wir niederfallen.
Erde sind wir
reglos
auf den Schollen der Felder.
Kinder des Frostes,
Geschwister des Nordwinds.
Gellend - unser Rufen,
rauschend - unser Flug.
Sehet, wir sitzen
zur Linken und Rechten
der Nacht
und tragen auf unseren Schwingen
das Winterlied
der Finsternis.
Kind, sei wachsam!
Wir fliegen
dir
entgegen.
© Ilka Lohmann

Wir gehen am Meer im tiefen Sand
Wir gehen am Meer im tiefen Sand,
Die Schritte schwer und Hand in Hand.
Das Meer geht ungeheuer mit,
Wir werden kleiner mit jedem Schritt.
Wir werden endlich winzig klein
Und treten in eine Muschel ein.
Hier wollen wir tief wie Perlen ruhn,
Und werden stets schöner, wie die Perlen tun.
© Max Dauthendey
1867-1918

nachtschichten
wie sorglos wogt mein schlaf
im submarinen garten deiner arme
wo die harten konturen
der tage lichtdurchlässig sind
wachsen ringe von nachtschichten
um den zerträumten panzer
meiner jahre und du sprichst in
fremden sprachen wörter
wie saturngetreue
heliotrop
und
monamur
© Elke Nachtigall

Fortleben
Gesternwind raunt
unscheinbare Wiegenlieder,
an dein Ohr und vorbei,
vorbei ins Erkennen
zieht die Laune der Natur,
das Greisen.
Es zieht dich fort,
hinein –
in die nächste Strophe.
Worte ändern sich,
formen sich neu,
auch der Mund,
ist ein Anderer.
Er hält die Töne,
nur faltig,
bevor sie sich vergraben,
in lächelnde Furchen,
gewachsen -
aus Kummer, Denk und Freude.
Eine gute Mischung,
eine menschliche - liebe.
Klang legt sich von Muscheln,
auf kleinere Zungen,
glättet sich im Kindermund,
und der Schall trägt.
Melodien vergehen nicht,
wohl des Sängers Körper,
und doch bleibt er,
lebt fort -
im Sang der Nachkommenden
raunt Gesternwind Wiegenlieder.
Birute Rosemann

An meine Verse
Ich weiß nicht,
welchen Weg ihr gehen werdet.
Ins Ungewisse
jag ich euch hinaus.
Ihr seid durch mich
und seid durch mich gefährdet,
Und bleibt bei mir,
bleibt hier zuhaus.
Die leichteren von euch
verschwinden wie der Wind,
Sind leere Silben,
einfach fort getragen.
Die tiefen lieb ich,
wie mein eigen Kind,
Sie reifen noch
und wollen Wurzeln schlagen.
© Paul Spinger

Liebeswehen
Ein zartes Wehen geht über mein Haar
wenn ich an deinen Atem denke
wie er lebt wenn du bei mir
in der Bucht meiner Arme liegst
höre ich die Wellen des Meeres
und versuche zu vergessen
was unserer Zukunft schmerzt.
Mag alles hinweg sein im Düstern des Kommen
bleibt doch die Sonne des Gewesen in uns.
© Fabian Tietz

Sängerleben - Intermezzo
Wohl vor lauter Sinnen, Singen
Kommen wir nicht recht zum Leben;
Wieder ohne rechtes Leben
Muss zu Ende gehn das Singen;
Ging zu Ende dann das Singen:
Mögen wir auch nicht länger leben.
Joseph Freiherr von Eichendorff
1788-1857
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