Herbsthauch


herbsthauch


Herbsthauch

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der prangende Frühling nicht trug
Werde der Herbst dir noch tragen?

Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch
Immer zu schmeicheln, zu kosen,
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends zerstreut er die Rosen.

Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.

Friedrich Rückert
1788-1866

Schilflieder


schilflieder


Schilflieder

I.

Drüben geht die Sonne scheiden,
Und der müde Tag entschlief.
Niederhangen hier die Weiden
In den Teich, so still, so tief.

Und ich muss mein Liebstes meiden:
Quill, o Träne, quill hervor!
Traurig säuseln hier die Weiden,
Und im Winde bebt das Rohr.

In mein stilles, tiefes Leiden
Strahlst du, Ferne! hell und mild,
Wie durch Binsen hier und Weiden
Strahlt des Abendsternes Bild.

Nikolaus Lenau
1802-1850

Selige Sehnsucht


selige-sehnsucht

Moganni Nameh
Auszug aus "Selige Sehnsucht"


Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde

Johann Wolfgang von Goethe
1749-1832

Regenbogen


regenbogen
ewesig

Regenbogen

Dein Blick
traf mich wie ein unvermuteter Sonnenstrahl
aus wolkenverhangenem Himmel

Dein Lächeln
wehte zu mir herüber wie ein lauer Windhauch
der den Duft des Frühlings bringt

Deine Worte
wuschen den Winterstaub aus meinem Herzen
zärtlich und sanft wie warmer Mairegen

Und glücklich staunend wie die Kinder
standen wir vor dem Wunder des Regenbogens
der uns plötzlich miteinander verband

© evelyne weissenbach

Abschied


rilke-hobo


Abschied

Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt.
Wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.

Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wärens alle Frauen
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:

Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leises Weiterwinkendes – schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen

Rainer Maria Rilke
1875-1926

der see


ein der see


der see

langsam gleite ich
in deine offenen arme
deine kühlen, sanften hände
streichen über meine haut

empfängst mich
dehnst dich vor mir aus
teilst dich für mich

hinter mir bilden sich
breite wellen in dir

so trägst du mich sicher
ans ufer zurück
bis ich wieder boden
unter den füßen hab

© elis rotter

Lebewohl


Lebewohl

Wer sollte fragen, wie's geschah?
Es geht auch andern ebenso.
Ich freute mich, als ich dich sah,
Du warst, als du mich sahst, auch froh.

Der erste Gruß, den ich dir bot,
Macht' uns auf einmal beide reich;
Du wurdest, als ich kam, so rot,
Du wurdest, als ich ging, so bleich.

Nun kam ich auch tagaus, tagein,
Es ging uns beiden durch den Sinn;
Bei Regen und bei Sonnenschein
Schwand bald der Sommer uns dahin.

Wir haben uns die Hand gedrückt,
Um nichts gelacht, um nichts geweint,
Gequält einander und beglückt
Und haben's redlich auch gemeint.

Dann kam der Herbst, der Winter gar,
Die Schwalbe zog nach altem Brauch,
Und: lieben? – lieben immerdar?
Es wurde kalt, es fror uns auch.

Ich werde geh'n ins fremde Land,
Du sagst mir höflich: Lebewohl!
Ich küsse höflich dir die Hand,
Und nun ist alles, wie es soll.

Adelbert von Chamisso
1781-1838

Ein Kranz aus Zärtlichkeit


ein kranz aus zärtlichkeit


Ein Kranz aus Zärtlichkeit

Deine Liebe
lässt
in meinem Seelengarten
die schönsten Rosen
erblühen

Und ihre zarten Triebe
flechten einen Kranz
aus Zärtlichkeit
um mein Herz

© Sigrid Boos

Suleika Nameh


suleika

Suleika Nameh
Auszug

Hochbeglückt in deiner Liebe,
Schelt ich nicht Gelegenheit,
Ward sie auch an dir zum Diebe,
Wie mich solch ein Raub erfreut.

Und wozu denn auch berauben?
Gib dich mir aus freier Wahl;
Gar zu gerne möcht ich glauben:
Ja, ich bins, die dich bestahl.

Was so willig du gegeben,
Bringt dir herrlichen Gewinn:
Meine Ruh, mein reiches Leben
Geb ich freudig, nimm es hin!

Johann Wolfgang von Goethe
1749-1832

ich fühl's und kann's nicht verstehn


meistersinger
meistersinger
Fliedermonolog
Auszug


Und doch, 's will halt nicht gehn
ich fühl's und kann´s nicht verstehn
kann´s nicht behalten
doch auch nicht vergessen
und fass ich es ganz,
kann ich's nicht messen.
Doch wie wollt ich auch messen,
was unermesslich mir schien
Kein' Regel wollte da passen
und war doch kein Fehler drin.

Richard Wagner
1813-1883
"Meistersinger von Nürnberg", Uraufführung 1868

Herbstfrühling


herbstfrühling
Herbstfrühling

Feiner weißer Nebel
liegt auf deinen Schläfen
und mahnt
an den bevorstehenden Winter

Doch die Herbstsonne
in deinen Augen
lässt Früchte in mir reifen
die ein viel zu kalter Sommer
fast vertrocknen ließ

Dein Herbststurm
fegt das welke Laub
aus dem Garten meiner Lust
und befreit so
die darunter verborgenen
Herbstzeitlosen
die sich unter deinem
sanften Herbstregen
zu einer nie gekannten
Pracht entfalten

Mit sicherer Hand
führst du mich
durch die Felder
deiner herbstlichen Erfahrung
und lehrst mich
den richtigen Zeitpunkt
für die Ernte

Ich habe nie geahnt
dass man im Herbst
einen so wunderbaren Frühling
erleben kann

© evelyne weissenbach

Glückliche Augen


einschlafen

Glückliche Augen

Glückliche Augen.
Die Taschen voller Sternenstaub,
fühl ich mich so jung geliebt.

Spür ich hinein ins Gegenüber,
lausch ich der Stimme Kraft,
fühl ich mich so wohl in mir.

Was sind schon Jahresringe.

© Angelika Gentgen

Ich bin ein Kind der Stadt


Kind der Stadt


Ich bin ein Kind der Stadt

Ich bin ein Kind der Stadt. Die Leute meinen,
und spotten leichthin über unsereinen,
dass solch ein Stadtkind keine Heimat hat.
In meine Spiele rauschten freilich keine
Wälder. Da schütterten die Pflastersteine.
Und bist mir doch ein Lied, du liebe Stadt!

Und immer noch, sooft ich dich für lange
verlassen habe, ward mir seltsam bange,
als könnt' es ein besondrer Abschied sein;
und jedesmal, heimkehrend von der Reise,
im Zug mich nähernd, überläuft's mich leise,
seh' ich im Dämmer deine Lichterreihn.

Und oft im Frühling, wenn ich einsam gehe,
lockt es mich heimlich raunend in die Nähe
der Vorstadt, wo noch meine Schule steht.
Da kann es sein, dass eine Straßenkrümmung,
die noch wie damals ist, geweihte Stimmung
in mir erblühen macht wie ein Gebet.

Da ist der Laden, wo ich Heft und Feder,
den ersten Zirkel und das erste Leder
und all die neuen Bücher eingekauft.
Die Kirche da, wo ich zum ersten Male
zur Beichte ging, zum heiligen Abendmahle,
und dort der Park, in dem ich viel gerauft.

Dann lenk' ich aus den trauten Dunkelheiten
der alten Vorstadt wieder in die breiten
Gassen, wo all die lauten Lichter glüh'n,
und bin in dem Gedröhne und Geschrille
nur eine kleine, ausgesparte Stille,
in welcher alle deine Gärten blüh'n.

Und bin der flutend namenlosen Menge,
die deine Straßen anfüllt mit Gedränge,
ein Pünktchen nur, um welches du nicht weißt;
und hab' in deinem heimatlichen Kreise,
gleich einem fremden Gaste auf der Reise,
kein Stückchen Erde, das mein eigen heißt.

Anton Wildgans
1881-1932

Kuss


Kuss

Kuss

Auf die Hände küsst die Achtung,
Freundschaft auf die offne Stirn,
Auf die Wange Wohlgefallen,
Sel'ge Liebe auf den Mund;
Aufs geschlossne Aug' die Sehnsucht,
In die hohle Hand Verlangen,
Arm und Nacken die Begierde;
Üb'rall sonst hin Raserei!

Franz Grillparzer
1791-1872

Septembertag


septembertag
Septembertag

Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit,
die dich befreit, zugleich sie dich bedrängt;
wenn das kristallene Gewand der Wahrheit
sein kühler Geist um Wald und Berge hängt.

Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit ...

Christian Morgenstern
1871-1914

Entsagung


gegenlicht

Entsagung

Eins ist, was altergraue Zeiten lehren.
Und lehrt die Sonne, die erst heut getagt:
Des Menschen ew'ges Los, es heißt Entbehren,
Und kein Besitz, als den du dir versagt.

Die Speise, so erquicklich deinem Munde,
Beim frohen Fest genippter Götterwein,
Des Teuren Kuss auf deinem heißen Munde,
Dein wär's? Sieh zu, ob du vielmehr nicht sein!

Denn der Natur alther notwend'gen Mächte,
Sie hassen, was sich freie Bahnen zieht,
Als vorenthalten ihrem ew'gen Rechte,
Und reißen's lauernd in ihr Machtgebiet.

All was du hältst, davon bist du gehalten,
Und wo du herrschest, bist du auch der Knecht.
Es sieht Genuss sich vom Bedarf gespalten,
Und eine Pflicht knüpft sich an jedes Recht.

Nur was du abweist, kann dir wiederkommen.
Was du verschmähst, naht ewig schmeichelnd sich.
Und in dem Abschied, vom Besitz genommen,
Erhältst du dir das einzig deine: Dich!

Franz Grillparzer
1791-1872

gegenlicht


gegenlicht

gegenlicht

im gegenlicht zeigst du
angelehnte gelassenheit
deiner gediegenen figur
doch kein bisschen innen

© heinz spicka

Weiberherbst


weiberherbst

Weiberherbst

Zärtlich getragen
vom Nebel
Der sich weich um mich schmiegt
Tief atmend
den Duft des Herbstes
Der in der satten Luft liegt
Schwebt mein Herz
durch die farbige Pracht
Die mein Leben so herrlich reich macht

Es sind die Farben
der glücklichen Stille
Die in mir leuchten
in einer Fülle
Die Gott
in meine Ewigkeit senkt
Weil Er mir wieder
den Herbst schenkt

Sanftes Nieseln streichelt mich
Und küsst wie frischer Morgentau
Alle meine Sinne wach
Und ich erkenne im Herbst die Frau

Der Jahreszeiten einziges Weib
Die strahlende Schönheit
In deren Leib
der Herd des Lebens ewig wärmt

Der Frühling
Der Jüngling
der strahlend ausschwärmt
Der sorglos aufbricht
und überall sät

Der Sommer
Der lachend einhergeht
Mit heißem Atem
und mit spendender Kraft
Alles wachsen lässt
aus seinem Saft

Der in schwülen Nächten
von Freiheit erzählt
Und vieles verspricht
was er dann nicht hält

Der Winter
Ein eiskalter Soldat
Mit klirrenden Waffen
in prachtvollem Staat
Tötet
was sich nicht schützt vor ihm
Lässt viele
zitternd vor ihm fliehen

Doch jetzt der Herbst
der nach innen ruft
Mit prächtigen Farben
und sinnlichem Duft
Mit weichen Konturen
im milden Licht
Mit feuchten Lippen
im üppigen Gesicht
Der Ernten gibt
und sich daran freut

Der Jahreszeiten Weiblichkeit

Und groß ist mein Glück
so von Weib zu Weib
Denn auch ich
fühl' den Herbst
in meinem Leib

© evelyne weissenbach

Die LYRIC GALLERY

Liebe Lyrik-Freunde!
Leider habe
ich in den letzten Jahren
viel zu wenig Zeit
für diese Seite gefunden.
Deshalb werde ich sie nun
"einfrieren“.
Da aber so viele schöne
Texte drauf sind,
lösche ich sie nicht,
sondern bestücke sie
nur nicht weiter.
Viel Freude beim
Immer-Wieder-Lesen!

Eure evelyne w.

Kommentare

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