max dauthendey
Abend
Schwarze Moose.
Erdgeruch in lauen Flocken.
Schmale dünne Silberblüten
Und Gesang von bleichen Glocken.
Welke Feuer löschen leise.
Nur ein Atmen warmer Flut.
Blühend schmelzen rote Meere,
Dunkle Sonnen saugen Blut.
Max Dauthendey
1867-1918
Wir gehen am Meer im tiefen Sand
Wir gehen am Meer im tiefen Sand,
Die Schritte schwer und Hand in Hand.
Das Meer geht ungeheuer mit,
Wir werden kleiner mit jedem Schritt.
Wir werden endlich winzig klein
Und treten in eine Muschel ein.
Hier wollen wir tief wie Perlen ruhn,
Und werden stets schöner, wie die Perlen tun.
© Max Dauthendey
1867-1918
Von dir lachen noch meine Träume
Dein Leib ist reich gewirkt
wie ein Feld voll Honig und königlicher Blumen
Und kommt weich und heimlich
wie der Mond in mein Bett.
Von dir lachen noch meine Träume
und bewachen dich.
Und wie die Hähne kämpfen mit erhitztem Sporn,
So töt' ich den, der dich im Traum begehrt.
© Max Dauthendey
1867-1918
Möchte rollend das Blut aller Verliebten sein
Ich möchte mir Freuden
wie aus roten Steinbrüchen brechen,
Möchte Brücken schlagen
tief in die Wolken hinein;
Möchte mit Bergen sprechen
wie Glocken in hohen Türmen,
Wie Laubbäume ragen
und mit den Frühlingen stürmen
Und wie ein dunkler Strom
der Ufer Schattenwelt tragen.
Fiel gern als Abenddunkel
in alle Gassen hinein,
Drinnen Burschen die
Mädchen suchen und fassen.
Möchte rollend
das Blut aller Verliebten sein
Und von Liebe und Sehnsucht
niemals verlassen.
Max Dauthendey
1867-1918
Die Uhr zeigt heute keine Zeit
Ich bin so glücklich von deinen Küssen,
Dass alle Dinge es spüren müssen.
Mein Herz in wogender Brust mir liegt,
Wie sich ein Kahn im Schilfe wiegt.
Und fällt auch Regen heut ohne Ende,
Es regnet Blumen in meine Hände.
Die Stund’, die so durchs Zimmer geht,
Auf keiner Uhr als Ziffer steht;
Die Uhr zeigt heute keine Zeit,
Sie deutet hinaus in die Ewigkeit.
Max Dauthendey
1867-1918
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