franz grillparzer
Licht und Schatten
Schwarz ihre Brauen,
Weiß ihre Brust,
Klein mein Vertrauen,
Groß doch die Lust.
Schwatzhaft in Blicken,
Schweigend die Zung',
Alt das Missglücken,
Wunsch immer jung.
Arm, was ich brachte,
Reich meine Lieb',
Warm, was ich dachte,
Kalt, was ich schrieb.
Franz Grillparzer
1791-1872
Kuss
Auf die Hände küsst die Achtung,
Freundschaft auf die offne Stirn,
Auf die Wange Wohlgefallen,
Sel'ge Liebe auf den Mund;
Aufs geschlossne Aug' die Sehnsucht,
In die hohle Hand Verlangen,
Arm und Nacken die Begierde;
Üb'rall sonst hin Raserei!
Franz Grillparzer
1791-1872
Entsagung
Eins ist, was altergraue Zeiten lehren.
Und lehrt die Sonne, die erst heut getagt:
Des Menschen ew'ges Los, es heißt Entbehren,
Und kein Besitz, als den du dir versagt.
Die Speise, so erquicklich deinem Munde,
Beim frohen Fest genippter Götterwein,
Des Teuren Kuss auf deinem heißen Munde,
Dein wär's? Sieh zu, ob du vielmehr nicht sein!
Denn der Natur alther notwend'gen Mächte,
Sie hassen, was sich freie Bahnen zieht,
Als vorenthalten ihrem ew'gen Rechte,
Und reißen's lauernd in ihr Machtgebiet.
All was du hältst, davon bist du gehalten,
Und wo du herrschest, bist du auch der Knecht.
Es sieht Genuss sich vom Bedarf gespalten,
Und eine Pflicht knüpft sich an jedes Recht.
Nur was du abweist, kann dir wiederkommen.
Was du verschmähst, naht ewig schmeichelnd sich.
Und in dem Abschied, vom Besitz genommen,
Erhältst du dir das einzig deine: Dich!
Franz Grillparzer
1791-1872
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